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  • AutorenbildBlickwechsel mit Kerstin

Warum in der Angst und im Stress dein eigener Autopilot dich zu seiner Marionette macht

Aktualisiert: 25. Jan. 2021


Unser Angst- und Schutzreflex kurz erläutert

Im Hirn gibt es einen Schalter, der schon seit Entstehung des Lebens auf der Erde in unserem zentralen Steuerorgan existiert. Einer der ersten Schalter, oder vielleicht sogar der erste Schalter überhaupt, der installiert worden ist: der Überlebensmechanismus, genannt “Kampf – Flucht Reflex” (ich werde ihn mit KFR abkürzen). Selbst ein Käfer hat ihn verankert in seinem Hirn. Er erstarrt bei vermeintlicher Gefahr. Es sieht aus, als sei er tot, und somit ist er nicht mehr interessant für seine Beute. Er erstarrt.... eines der drei Stadien, die diesem Reflex als Reaktion dienen: Erstarren, Flüchten und Kämpfen. Sieht man eine Gefahr, einen Tiger z.B., dann erschreckt und erstarrt man zuerst einmal. Sieht man, dass der Tiger sich auf einen zu bewegt, dann flüchtet man, und schließlich, wenn man merkt, es ist aussichtslos, der Tiger ist schneller, dann geht man zum Kampf über. So zumindest beschreibt es die Theorie. In der Praxis, im echten Leben, sieht es oft anders aus....




Unser Angst- und Schutzreflex im Einsatz

Ist der KFR eingeschaltet, weil wir uns in einer Gefahr befinden, dient er dazu, uns durch schnelle instinktive Reaktionen möglichst schnell und unversehrt wieder aus dieser Situation raus zu holen. Erst einmal Lage checken, überlegen, abwägen von verschiedenen Möglichkeiten sind in solch einer Situation nicht drin. Logisch, es würde ja auch viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Doch, jetzt stellen sie sich einmal vor, es handelt sich hierbei um eine “vermeintliche” Gefahr, d.h. sie sehen keinen Tiger, aber eine kleine Maus, eine Spinne? Vielleicht handelt es sich hier aber auch weder um eine Maus, noch eine Spinne, sondern um eine neue Herausforderung, einen To Do Punkt zu viel auf der Tagesliste, den Weg zur Arbeit, zur Schule ... Sie befinden sich vielleicht nicht wirklich in Gefahr, aber ihr Gehirn deutet es so. Es folgen die gleichen Abläufe, ob es sich hier um einen Tiger, oder eine Maus handelt, spielt für den Reflex keine Rolle. Sie erstarren, und verharren womöglich in dieser Position. Nachdenken ist schwierig, logisches Handeln auch. Man verhält sich wie ein kleines dreijähriges Kind. Manchmal möchte man auch aus dieser erstarrten Position raus, die Gedanken sind schon wieder frei, aber der Körper bewegt sich einfach nicht... Manchmal kann man gar nicht mehr aufhören, weg zu rennen, sich Auswege zu suchen, obwohl man es eigentlich gar nicht will, und die Gefahr schon längst vorbei ist. Manchmal steigt die Aggression so schnell hoch, dass man selbst überrascht ist. Man ist bereit, sich mit vollem Körpereinsatz zu verteidigen. Aber, worum ging es sich auch noch?



Sein, oder nicht sein, das ist hier die Frage...

Ist dieser Schalter im Hirn betätigt, agieren wir nicht mehr bewusst. Wir greifen nur noch instinktiv auf das zurück, was in unsrem Unterbewusstsein abgespeichert ist, abgespeichert durch unsere eigenen Erfahrungen, abgespeichert durch die Evolution und ausgeführt durch die Instinkte. Wir agieren wie fremdgesteuert. Erkennen uns oft nicht wieder. Hinzu kommen die körperlichen Veränderungen bedingt durch diesen Stress, ausgelöst durch das Einschalten des KFR. (Ich brauch ihnen hier nicht noch einmal zu erläutern, welches diese körperlichen Veränderungen durch Stress sind, sie kennen den zu hohen Blutdruck, das Herzrasen, die Verdauungsprobleme... Darüber gibt es weiß Gott, genug Artikel.) Ist dieser KFR zu oft angeschaltet, durch immer wiederkehrende Angst, oder Stress, dann können diese körperlichen Stresssymptome und dieses Gefühl des “Fremdgesteuertseins”, zum Dauerzustand werden. Dies bringt die Gefahr mit sich, dass wir dieses Gefühl der Fremdsteuerung nicht mehr als Solche, als fremd, wahrnehmen. Wir selbst, sowie andere auch, sehen nur noch dieses Trugbild. Wir glauben uns selbst zu kennen, jedoch erblicken wir im Spiegel nur noch ein Scheinbild unserer Selbst.




Tunnelblick

Das Hirn fokussiert im Stress und in der Angst alle Sinne nur noch auf die Gefahr, oder die vermeintliche Gefahr. Sie aus den Augen zu lassen, könnte “den Tod” bedeuten. Wir sehen und denken nur noch an den Tiger, die Maus. Wir trauen uns nicht, um uns herum zu schauen. Somit kann man keine weiteren Lösungsmöglichkeiten finden, weil man sie nicht sieht, nicht sehen kann. Das Blickfeld verengt sich, aber der Blick an sich wird schärfer. Der sogenannte “Tunnelblick” entsteht. Genauso ist es mit den anderen Sinnen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen/Tasten. Alles ist darauf bedacht, die Gefahr, und nur diese, genau unter die Lupe zu nehmen, und jede kleinste Regung festzustellen, um direkt reagieren zu können. Daraus resultiert im Leben eine Perspektive, die nur noch auf das Problem gerichtet ist. Jedoch, um Lösungen zu finden, ist ein Wechsel dieser Perspektive nötig. Es ist nötig, das Problem, die Gefahr, für einen Moment aus den Augen zu lassen, sich umzudrehen, sich zu trauen, an etwas anderes zu denken, raum zu schaffen! Dazu benötigt es einen sicheren Übungsrahmen gestaltet durch Ressourcen, Mitmenschen, Stufen aus kleinen erreichbaren Zielen, um nur einige Beispiele zu nennen. Außerdem, und das ist der absolut erste Schritt, muss man aber erst einmal wieder fähig sein, seine eigenen Sinne bewusst und selbst steuern zu können, und sie nicht durch den Autopiloten KFR gesteuert zu wissen....




Blickwechsel – der Weg zum Ziel

Die erste Sitzung meiner Klienten besteht oft darin, diesen Angst- und Schutzmodus, den oben genannten Kampf- und Fluchtreflex, wieder auszuschalten. Ruhe und Harmonie dürfen wieder einziehen. Nun kann auch der sogenannte Präfrontale Cortex, in dem das eigentliche Nachdenken stattfindet, wieder seine Arbeit machen. Erst dadurch ist es dem Klienten möglich, die Perspektive zu wechseln, und nach möglichen Ursachen, und auch Lösungen Ausschau zu halten. Erst jetzt beginnt der Klient zu verstehen. Dadurch entsteht der für mich schönste Moment in der Sitzung, der Blick des Klienten wechselt: Erst verklärt und angestrengt, dann strahlend klar. Raus aus dem Nebel, und rein ins Licht. Er hat verstanden und atmet durch! Wundervoll!


Fotos: Medien von Wix

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