top of page
  • AutorenbildBlickwechsel mit Kerstin

Emotionen - wie geht das?

Aktualisiert: 18. Dez. 2023


ein bisschen Ich

eine Frau die traurig in die Ferne schaut

Lange Zeit hätte ich dir hier sagen müssen "keine Ahnung" und der Beitrag hätte damit sein abruptes Ende gefunden, bevor er überhaupt geboren worden wäre. Ja, es gab eine Zeit, da zählte ich die Tage und Wochen, schliesslich sogar die Monate und Jahre, in denen ich es schaffte NICHT zu weinen. Ich war stolz darauf. Es fühlte sich wie ein gut gemeintes Gerüst an, meine Ritterrüstung. Jetzt war ich gewappnet, und nichts konnte mich mehr umhauen. Aber in Wahrheit war es nur eine hohle Farce. Die Ritterrüstung war wie ein Panzer, der mich umgab, und ich innen drin wurde immer leerer. Immer inexistenter. Ich war nur noch ein Schein meiner Selbst. Es kam soweit, dass ich noch nicht einmal mehr wusste, dass ich diesen Panzer zum Schutz freiwillig angezogen hatte.


Es war in der Zeit, in der die Herausforderungen auf mich einprasselten, wie ungewollte Hagelkörner im April. Es war auch die Zeit, in der meine Eltern bereits extremst gefordert waren, durch ihre eigenen Herausforderungen, und ich sie nicht noch mehr in Anspruch nehmen wollte und durfte. Es war die Zeit, in der ich mutig beschloss, alles selbst zu regeln.

Eine Entscheidung, die mich schnell überforderte. Auf mich allein gestellt, hätte mich jeder emotionale Ausbruch an den Rand der Verzweiflung gebracht, und wahrscheinlich auch über diesen hinaus. So traf ich in dieser Zeit die zweite Entscheidung, um meine erste nicht ins Wackeln geraten zu lassen: keine emotionalen Ausbrüche mehr. Und somit begann ich dann stolz die Tage zu zählen, an denen ich es schaffte, nicht zu weinen...

So wurde diese Zeit auch zu der Zeit, in der ich mich jeden Tag ein bisschen mehr von mir selbst entfernte...


Kennst du das auch?



Emotionen kommen in Wellen

Emotionen sind anstrengend. Emotionen kosten Kraft und Zeit. Emotionen kommen in den unpassendsten Momenten. Ja, das stimmt.

Aber ... Emotionen sind auch ein Bestandteil deines wahren inneren Kerns, deiner Seele. Sie kommen aus deinem tiefsten Inneren. Emotionen färben das Erlebte ein, sodass es dem Hirn leichter fällt, zu entscheiden, was wirklich eine Rolle spielt und ins Langzeitgedächtnis darf, und was direkt rausfliegt. Emotionen wollen gefühlt werden. Ausgelebt. Solange das nicht passiert, geistern sie in dir rum, und stellen ihren Spuk an, wann immer ihnen danach ist. Dann schenken sie dir Bauchweh, Rücken- oder Kopfschmerzen. Und dann sind sie anstrengend, kosten Kraft und kommen in den unpassendsten Momenten.


Emotionen kommen in Wellen. Sie kündigen sich an und umspielen erst leicht deine Füsse. Dann erst nimmt die Welle Fahrt auf. Vielleicht kannst du schwimmen und lässt dich treiben, hast sogar deinen Spass daran. Vielleicht ist sie aber auch so hoch und heftig, dass du Angst hast unterzugehen. Und das ist der springende Punkt. Solange du diese Angst hast, hältst du die Welle auf. Die Emotion kündigt sich ständig an, umspielt immer wieder deine Fussgelenke und bittet darum, endlich ausgelebt werden zu dürfen. Irgendwann muss die heranrauschende Welle an Intensität annnehmen, sie will ja gesehen, gefühlt und wahrgenommen werden. Dann geschieht es, sie schwappt über dich rüber, du verlierst den Boden unter den Füssen und sie zieht dich hinaus ins Meer. Plötzlich, ohne Vorwarnung. Hoffentlich hast du Schwimmen gelernt... Aber wie denn, wenn du dich vorher nie getraut hast, nie geübt hast ...?



Vertrauen heisst die Lösung

eine Frau dieeinen Hund und eine Katze streichelt




Um Unseren Emotionen freien Lauf geben zu können, brauchen wir Vertrauen.




Vertrauen in uns selbst


Vertrauen in jemand anderen


Urvertrauen.





Mindestens einer dieser Faktoren sollte gegeben sein. Vertrauen in uns selbst erlangen wir, indem wir von klein an erlernen, mit Emotionen umzugehen. Herausforderungen im Leben erhalten, die wir meistern können, alleine, oder auch mit Hilfe von Erwachsenen. Vertrauen wir unserer eigenen Fähigkeit hier noch nicht, ist es wichtig, dass eine vertrauenswürdige Person, uns kompetent und ruhig durch eine Emotionswelle begleitet, damit wir uns irgendwo festhalten können, wenn wir selbst noch nicht schwimmen können. Vor allem Kinder brauchen hier Unterstützung von Erwachsenen. Aber nicht nur die Kinder brauchen ab und an mal Hilfe, auch wir Erwachsenen brauchen manchmal eine starke Schulter, um endlich unsere Ängste, unsere Wut und Trauer zum Ausdruck bringen zu können.

In diesem Hinspüren liegt so viel Erleichterung, auch wenn man sie erst einmal nicht direkt spüren kann. Hier liegt so viel Wahrheit, so viel Chance, so viel Stärke.



und die Moral von der Geschicht'

Ob ich wütend auf meine Eltern bin? Nun ja, es gab da Zeiten, da war das so. Es gab auch Zeiten, da wusste ich nicht, was es heisst, wütend zu sein. Nun gibt es zum Glück auch Zeiten, da wacht man auf. Nimmt die Wellen an, spürt die Chancen, die Möglichkeiten, die Wahrheit und die Stärke und weint endlich die Tränen der vergangenen Jahre. In diesen Zeiten, ist mir klar geworden, dass meine Eltern auch "nur" Menschen sind. Menschen, die auch ihre Herausforderungen und Emotionen zu meistern haben. Menschen, die auch am Strand stehen, voller Liebe und Wohlwollen, jedoch dort auch ihren Wellen begegnen...



eine Frau die glücklich ist

Ob ich diese Zeit bereue? Nein. Sowas von nein. Absolut nein. Ganz und gar nicht! Ich würde mich sogar erneut dafür entscheiden. Warum? Nun ja, lustig war es nicht. Das stimmt. Aber, ich habe so viel gelernt! Gelernt über mich selbst, gelernt über das Leben, gelernt über das Miteinander.


Und hey, ich kann jetzt Wellen reiten! Ich habe keine Ansgt mehr!



Traue dich, diesen Weg zu gehen!






Fotos: Julie Meyer

Text: Kerstin Haag

bottom of page