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  • AutorenbildBlickwechsel mit Kerstin

Ich kam - sah - und fühlte

Aktualisiert: 31. März 2023

Hochsensibilität - Chaos im Kopf

Stille – allein dieses Wort zergeht mir schon auf der Zunge, denn Lärm ist mir ein Gräuel. Mehrere Geräuschquellen, die sich wild untereinander mischen sind wie viele einzelne Stiche in meinen Ohren. So manch ein Geruch bereitet mir Kopfschmerzen und Übelkeit, besonders dann, wenn er sich mit dem darunter liegenden Duft, oder soll ich besser Gestank sagen, vermischt, den er eigentlich übertünchen sollte. Natürliche harmonische Farben sind ein Fest für meine Seele! Neonlicht, Scheinwerfer, Leuchtreklame und grell präsentierte Ware, die nur nach Aufmerksamkeit schreien bohren sich buchstäblich wie zwei ausgespreizte Finger in meine Augäpfel! Glibberige Spielzeuge, neumodische chemische Ersatztextilien ekeln mich gerade zu an. Weich und natürlich auf der Haut muss es sein, und mich einengen darf es erst recht nicht! Am liebsten würde ich den ganzen Tag in bequemen baumwollenen Jogginghosen rumlaufen... :-)



Reizüberflutung - wenn der interne PC abstürzt

So zumindest ging es mir eine Zeit lang, und geht es mir heute auch noch hier und da, besonders dann, wenn mein interner Akku platt ist, und mein Speicherplatz überfüllt. Bin ich müde und ausgelaugt, dann ziehe ich mich besser auf meine gemütliche Couch zurück. Raus aus der einengenden Jeans, rein in die baumwollene Freizeithose. Bewaffnet mit Kuscheldecke aus seidigem Naturgarn und Wohlfühltee erhole ich mich schnell wieder. Alles andere wäre mir in den Momenten zu viel.

Mache ich an solchen Tagen den Fehler und gehe doch einkaufen, sitze doch zu lange vor dem PC, treffe doch zu viele Menschen, lerne doch noch für einen Kurs, gehe doch auf eine späte Versammlung,... dann bereue ich das schnell: Reizüberflutung, Alarm im Hirn, ist die Folge. Der interne PC stürzt ab! Kopfschmerzen, Übelkeit, Gereiztheit, Erschöpfung, Konzentrationsverlust machen sich ungefragt breit. Oft habe ich dann noch zusätzlich das Gefühl, ich verdurste, so als ob der Körper versucht diesen Überschuss an Input mit Wasser wegspülen zu können...! Ich implodiere und ziehe mich in mich selbst zurück, denn da kenne ich mich aus. Da sind die Gedanken mir bekannt. Ich kann sie lenken, und bitte sie so, mich an einen Ort zu bringen, der mir das gibt, was ich jetzt gerade brauche. Ich träume mich weg. Weg von hier, weg vom Stress, weg von den Dingen, von den Aussagen, den Konflikten, den Menschen und Bildern, den Worten und Gerüchen die mir zu viel sind. Wann ich wieder auftauche weiß ich nicht. Ob es gerade der passende Moment ist, um sich weg-zu-träumen, das kann ich auch nicht sagen. Ich kann es nicht immer steuern, es kommt, und es geht...




Vorbeugen ist besser als Nachbeugen

Ich habe mit der Zeit gelernt, damit umzugehen: Ständig für einen geladenen hauseigenen Akku zu sorgen, und Ventile einsetzen, wenn mein interner Speicherplatz zu voll ist, das ist die Devise! Sich um sich selbst kümmern, sich Zeit nehmen für sich selbst.

Mittlerweile starte ich den Tag mit einem “was brauche ich für mich heute?” Programm. Ich gehe mit meinem Hund in den Wald, zum Spazieren oder Joggen, ich mache Yoga zu Hause, male, schreibe oder lese. Manchmal nehme ich mir auch die Zeit für eine Meditation, je nachdem, was mir in dem Moment gerade gut tut, und was ich, bzw. mein Körper, mein Verstand und meine Emotionen brauchen. Gestärkt beginne ich somit den Tag, und bin gewappnet. Jetzt wirft mich so schnell nichts mehr aus der Bahn.

Allerdings heißt es nach wie vor – portionieren! Nicht übertreiben, und gleich alles drauf los, dann hilft mir auch die morgens gesammelte Kraft nicht mehr. Hilfreich ist auch durchaus, die ersten minimalen Anzeichen der anschleichenden Reizüberflutung bemerken, und sofort darauf eingehen, damit erst gar kein Chaos im Hirn entsteht.




Hochsensibilität - ein Fest für die Sinne!

Seitdem ich mich selbst besser kennengelernt habe, mit dieser Feinfühligkeit besser umgehen gelernt habe, weiß ich auch was mir wann und wofür zu viel ist. Somit weiß ich aber was mir gut tut, was mir liegt und ich gut kann, und nehme mir die Zeit, solche Dinge in meinen Alltag zu integrieren. Ich werde durch die äußeren Umstände nicht mehr dazu gezwungen, mich in mir selbst zu verstecken, oder mich räumlich zurückzuziehen. Wenn ich mir jetzt Zeit für mich nehme, dann weil ich es so entschieden habe, weil ich es so möchte und es mir gefällt.

Der Wald, die Tiere und meine Kreativität sind nach wie vor meine Inseln, auf die ich mich gerne zurückziehe, wenn mir die Außenwelt mal wieder zu viel Input gegeben hat, oder wenn mir einfach danach ist.

Aber, ich liebe es wieder mitten im Leben zu steh'n, mitten im Geschehen, mitten unter Menschen! Und ich bin unwahrscheinlich dankbar dafür, dass ich es wieder genießen kann!



Fotos: Julie Meyer


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